Was bleibt …

Wirre und unsichere Zeiten, in denen wir gerade leben, oder? Bruch der Ampel-Koalition in Berlin nach internen Querelen und politischem Stillstand. Der unberechenbare und sowohl menschlich als auch ethisch fragwürdige Donald Trump wird wieder US-Präsident. Und jetzt: Vorgezogene Bundestagswahlen. Mit einem denkwürdigen Wahlk(r)ampf. Mit allerhand populistischem Getöse auf extrem rechter Fahrspur, fragwürdigen Taktierereien, aggressiver Stimmung sowie menschlich und rechtlich bedenklichen Forderungen und Versprechungen.

Immer wieder sagen Menschen: Ich weiß gar nicht, was ich wählen soll. Ich fühle mich nicht mehr sicher. Woher dieses Grund-Gefühl kommt? Bestimmt nicht von mangelnder Polizeipräsenz. Die Polizei ist da. Und muss immer mehr da sein. Um Sicherheit und rechtsstaatlich-demokratische Abläufe zu gewährleisten.

Wir leben in wirren und unsicheren Zeiten. Die Welt im Dauer-Krisenmodus. Kriege. Tendenzen, die vor Jahren noch undenkbar schienen, werden plötzlich salonfähig. Abschottung, einfaches Schwarz-Weiß-Denken mit ebenso einfachen Lösungen für komplizierte Probleme, weniger Miteinander und mehr “Ich zuerst”. Emotionalität statt Sachlichkeit. Unredlichkeiten…

Während der Vorbereitung auf ein Seminar ist mir vor kurzem ein altes Gebet und Lied aus der Bibel in die Hand gefallen. Nicht in altem Lutherdeutsch, sondern in einer modernen Übertragung des Theologen, Seelsorgers und Pädagogen Peter Spangenberg aus dem Jahr 1995. Ich bin überrascht wie treffend doch dieses Stück in unsere Zeit passt:

„Trotz allem, was in unserem Land und in der Welt geschieht – Gottes Wort ist der einzige wirkliche Lichtblick für alle, die noch offene Herzen haben. Ich war auch kurz davor zu sagen: Es hat ja keinen Sinn mehr; denn ich habe mich so maßlos geärgert, weil es den Bösewichten so gutgeht. Sie fressen sich dick und rund und werden immer reicher; sie kennen nicht die kleinen und großen Sorgen des Alltags; deshalb geben sie auch so an und meinen, sie könnten sich alles leisten. Sie machen einfach das, was ihnen in den Sinn kommt ohne jede Rücksicht auf andere. Sie haben vor nichts mehr Ehrfurcht und schimpfen obendrein. Sie tun so, als wären sie der liebe Gott, und die Masse der Menschen läuft ihnen noch nach. Sie meinen, Gott sähe das alles nicht. Hat es denn gar keinen Sinn mehr, dass ich mich nach meinem Gewissen richte, wo die anderen so gut mit allem durchkommen?“

Soweit der erste Teil dieser modernen Psalm-Version. Sie drückt ungeschönt und provozierend aus, wie es einem gehen kann. Zum Glück bleibt es bei den Beobachtungen und Wahrnehmungen der Welt nicht stecken:

„Aber ich merkte, als ich betete, dass solche Menschen keinen Hintergrund und kein Fundament haben. Wie ein böser Traum verfliegt, so sind sie eines Tages weg. Trotzdem tat es mir weh und ging mir an die Nieren. Aber ich war ein Esel. Nein, ich bleibe dir treu, und du hältst mich fest, lieber Gott. Du zeigst mir den Weg, wie du es willst und sagst mir am Ende: So war es gut! Was gehen mich die Spinnereien und die Raffgier anderer an? Hauptsache, ich gehöre zu dir. Das ist auch mein ganzer Lebensinhalt: zu dir zu halten und mich bei dir geborgen zu fühlen. Davon soll mein Leben strahlen“.

Der zweite Teil des Stücks versucht, dem, was verwirrt, verunsichert frustriert und wütend macht, etwas entgegenzusetzen. Ein Fundament, das Halt und Orientierung gibt: Das Wissen darum, dass man zu Gott gehört, bei ihm geborgen ist. Ihm kann man vertrauen. Er zeigt einem den guten Weg. Das klingt freilich auch einfach und fromm. Und damit provoziert es auf andere Art. Ob Gott der einzige wirkliche Lichtblick ist? Manche und mancher gerät hier vielleicht ins Zweifeln oder Widersprechen. Ich komme zumindest ins Nachdenken. Ich mag mich nicht einfach so mit den Realitäten dieser Welt und dieser Zeit abfinden. Realitäten, die das Potential haben, mich einfach nur noch runterzuziehen und mir die Zuversicht zu nehmen.

Nein, ich möchte drauf vertrauen, dass sich diese Welt, dass sich Menschen mit Einfluss und Macht auch wieder in eine andere Richtung entwickeln und bewegen können. Ich möchte darauf vertrauen, dass Gott Dinge und Menschen, ja ganze Gesellschaften, zum Guten wenden kann, wie schon in der Vergangenheit. Ich möchte darauf vertrauen, dass Gott mir den Mut und die Kraft gibt, mich an meiner Stelle für ein friedliches, ein faires, ein menschliches Miteinander einzusetzen. Und nicht den Blick für Gelingendes im Kleinen, für Schönes und Gutes in dieser Welt zu verlieren. Ich möchte mit seiner Hilfe Herzenswärme und Menschlichkeit ausstrahlen und damit andere „anstecken“.

Und dann vertraue ich darauf, dass Kriege in Frieden münden werden, dass Gerichte Staatsmänner und -frauen, die mit unmenschlichen, rechtlich und ethisch bedenklichen Vorschlägen und Anordnungen zerstörerisch wirken, in ihre Grenzen weisen. Dass auch nach der Bundestagswahl unsere demokratische Grundordnung weiter besteht und sich die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zusammenraufen werden, um gemeinsam nach guten Lösungen für die drängenden Probleme unserer Zeit zu suchen.

Ich vertraue darauf, dass, so wie bisher auch, in Zukunft alle Polizistinnen und Polizisten bei uns im Land mit Herzblut für Sicherheit und demokratische Ordnung einstehen und sorgen. Ihnen gebührt gerade in schwierigen Zeiten ein herzlicher Dank dafür.

Wir alle haben in jeder Hinsicht die Wahl …

Herzliche Grüße,
Ihr/Euer
Norman Roth, Polizeiseelsorger (Ev. Kirche der Pfalz)


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