Liebe Polizeibedienstete!
Vor ein paar Tagen bin ich bei schönstem Frühlingswetter einen Rundwanderweg im Nahetal bei Bad Kreuznach gelaufen. Um auf eine Burgruine mit tollem Ausblick zu gelangen, musste ich zunächst einen steinigen Pfad im Wald absteigen. Dann gelangte ich zwischen schattigen Mauern hindurch zu einem schmalen Portal. Der Eingang ins Innere der Burgruine, die auf einen Felsen gebaut wurde. Um also nach oben zum Rundblick im Sonnenlicht über das Tal zu kommen, musste man erst schattige, steinige, steile Waldpfade nehmen und durch Mauern hindurch Sandsteintreppenstufen hochsteigen.

Kurz vor Ostern erinnere ich mich an das Foto, das ich an dem engen Eingangsportal zur Burgruine gemacht habe. Es steht für mich für das, was wir an dem Fest feiern: dass das Leben in Gottes Namen das letzte Wort über das Dunkle und den Tod hat. Das kann man lesen, sich sagen lassen, drüber nachdenken. Am besten und eindrücklichsten ist es jedoch, wenn man selbst solche Erfahrungen machen kann. Auf der Burgruine habe ich es ganz praktisch erlebt, vom Dunkel ins Licht zu steigen. Und eine schmale Öffnung in einer Schatten werfenden Mauer zu nutzen, um weiterzukommen ins Helle.
Gerade in diesen schwierigen und ungewissen Zeiten, in denen viele Angst vor dem haben, was kommt. Wenn sie auf Amerika und Russland blicken, auf die vielen Kriege, auf weltweite Handelsstreitigkeiten und Börsenachterbahnfahrten, auf das immer stärkere Abschneiden von Rechtpopulisten bei Wahlen in unserem Land oder auf das sich spürbar verändernde Klima. Ganz zu schweigen von den beruflichen und familiären Konflikten und Schwierigkeiten, den Abschieden und Verlusten, mit denen viele von uns tagtäglich kämpfen. Da braucht es Erfahrungen und Erlebnisse, die uns mutig und zuversichtlich machen. Nicht oberflächlich, sondern etwas, das uns im Innern berührt, anders stimmt. Da ist es gut, wenn wir erfahren und erleben wie Lebens-Licht neben, hinter oder nach dem Schatten liegt.
Die mächtige, große, hohe Mauer im Foto, sie steht für all das, was sich stark, starr, unüberwindlich und Dunkelheit erzeugend regelrecht vor uns auftürmt. Aber irgendwo gibt es auch ein Schlupfloch, einen schmalen Weg hindurch, manchmal beschwerlich wie die steilen Sandsteinstufen. Dahinter wachsen Bäume, ist es grün und hell. Es geht weiter nach oben, hin zur guten Aussicht. Die Erfahrung, ins Burginnere zu kommen, stimmt mich zuversichtlich, dass ich die Aussichtsplattform erreichen werde. Ich gehe durchs Portal und blicke auf einen Holzunterstand. Schön, denke ich, hier kann man ja zwischendurch Rast machen oder an Tagen mit schlechter Witterung Schutz vor Regen suchen. Aber dann erkenne ich einen Bauzaun. Der Weg ist abgeschnitten, der Rastplatz eine Baustelle. Unsicher, sanierungsbedürftig. Ja, auch in unserem Leben gibt es manche Baustellen. Dort arbeite ich, wenn ich die Kräfte und Mittel habe. Aber jetzt gehe ich in der Burg drumherum, nehme einen kleinen Umweg im Sonnenlicht. Und steige wenig später hoch auf die Aussichtsplattform. Was für ein toller Ausblick: Weite, Ruhe, Licht. Ich spüre Leben. Der Weitblick und die pure Helligkeit stimmen mich zuversichtlich. Da geht doch was. Das Leben ist weit und vielfältig. Mit neuem Mut und neuer Kraft steige ich wieder ab. Lasse die Burgruine mit ihrem tollen Ausblick hinter mir und laufe den Rundwanderweg noch zu Ende.
Wir brauchen Ostern. Mehr denn je. Wir brauchen die Erfahrungen und Erlebnisse, dass sich in allen Dunkelheiten und Ängsten des Lebens und dieser Welt auch helle Wege und Aussichten auftun, die uns Mut, Zuversicht und Kraft geben. Ich vertraue darauf, dass mir Gott genügend davon schenkt. Und bitte ihn, dass er mir hilft, diese wahrzunehmen und bewusst zu erleben.
Gerne möchte ich Euch und Ihnen zu Ostern ein paar passende Zeilen mitgeben, die ich in einem kleinen aktuellen Büchlein gefunden habe:
pilger psalm
ewiger pilger, du suchst das licht
bei jedem schatten bleibst du stehen, holst atem
und siehst deine spuren vor dir im licht glänzen
das grab liegt hinter dir
Gott ist in allem
(Helena Aeschbacher-Sinecká, aus: Wandeln 2025, Andere Zeiten e. V. S. 116)
Mein Kollege Matthias Orth und ich wünschen Euch und Ihnen allen von Herzen ein frohes Osterfest, das neue Lebens-Kräfte mitgibt.
Euer/Ihr
Norman Roth
Polizeiseelsorger, Evangelische Kirche der Pfalz
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